Einfach Frau sein - zur Ausstellung "Reclaiming the nude

Zur Ausstellung "Reclaiming the nude"

mit Arbeiten von Maria Noisternig und Anna Schebrak

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 6.12.22

 

Herzlich Willkommen

Bei der Ausstellung „Reclaiming the nude“

Mit Fotografien von Maria Noisternig und Skulpturen von Anna Schebrak

 

herzlich Willkommen und danke dass Sie es heute geschafft haben hierher zu kommen 

dass sie ihren Körper genommen haben und sich hierher bewegt haben

logisch werden Sie sagen, wie soll ich ohne Körper hierher kommen?

 

Wie denken Sie eigentlich von Ihrem Körper?

Mögen Sie ihn? Gefällt er Ihnen? 

 

Nun - bevor es zu psychologisch wird - lassen Sie mich von meinem Körper reden, von meinem Verhältnis zu meinem Körper

bei ihnen ist es sicherlich ganz anders

ich mag meinen Körper, weil er mir treu ist, weil er mich dorthin begleitet, wo ich hin möchte 

er gefällt mir auch immer wieder, aber oft auch nicht 

oft zeigt mir der Blick in den Spiegel Dinge, die meinem inneren Kritiker nicht standhalten

ich falle bei mir selber gewissermaßen durch

und dann ziehe ich mir etwas an und überlege mir, wie ich dies oder am besten kaschiere

und denke mir, meine roten Lippen werden schon von meiner Brille ablenken oder zumindest einen guten Kontrast bilden

 

Wenn ich es so überlege: Eigentlich finde ich es sehr überraschend, dass ich mich viel öfter kritisiere und auf die kleinen Problemstellen vielmehr achte, als auf die Stärke meines Körpers 

Ich denke viel seltener an die Kraft meines Körpers, ich treibe ihn nur immer weiter an zu irgendwelchen Leistungen

 

 

 

heute ging ich durch den dritten Bezirk und kam an einer Werbetafel für eine italienische Wäschemarke vorbei, wo eine deutsche Mutter mit ihrer Tochter gemeinsam posieren

das Bild ist schön, entspricht unserem Schönheitsideal, ist bearbeitet und schaut so aus, wie irgendein Mensch, der hinter seinem Photoshoppinsel steht oder sitzt sich vorgestellt hat, dass so ein Bild ausschauen soll

wir leben in einer Welt, wo es ganz viel optische Informationen, ganz viel Bilder gibt 

sie zeigen uns, was schön ist und das führt bei vielen Menschen dazu, dass sie auch irgendetwas an sich machen lassen 

angeblich ist es in Brasilien seit Jahren üblich, dass Maturantinnen sich zur Matura eine Schönheitsoperation wünschen

Brasilien ist auch das Land mit den höchsten Kaiserschnitt Quote – 56% aller Kinder, medizinisch indiziert sind 5-10%. Es gibt bereits Ärzte, die ernsthaft befürchten das das Wissen der Frauen, wie sie auf natürlichem Wege Kinder bekommen verloren geht durch die vielen Kaiserschnitte. Dieser ureigensten Kraft der Frauen Kinder zu bekommen wird nicht mehr vertraut, , lieber an den anderen delegiert, ein Geschäft daraus gemacht....

 

In Brasilien ist die Vulva also auch nicht mehr das, was sie einmal war. Es gibt übrigens Leute die lassen sich die Schamlippen verkleinern. Warum? Weil auch sie das Gefühl haben, es gibt ein bestimmtes Schönheitsideal dem sie zu entsprechen haben? Ich weiß es nicht.

 

Sind Sie eigentlich, bin ich mit meiner Vulva zufrieden? Gefällt sie mir? Habe ich sie schon einmal im Spiegel betrachtet? Ach, das ist unanständig, das kann ich in der Öffentlichkeit so nicht fragen, das ist schon sehr intim...

 

Kehren wir also zurück zum Akt – das gilt als deutlich weniger intim. Wenn ich Sie frage, wenn ich Sie bitte an Bilder von weiblichen Akten zu denken, dann werden Sie alle Bilder im Kopf haben von mehr oder weniger perfekten Körpern 

Hochästhetisch, vielleicht auch schwarz/weiß, mit Licht- und Schattenspielen. 

ich bin selber Fotografin und habe 2 Kollegen, mit denen ich viel zusammen mache, die sehr gerne weibliche Akte fotografieren und bei unserem Bildbesprechungen reden wir auch darüber 

und ich merke, diese Bilder sind Bilder von Männern – es ist nichts dagegen einzuwenden, es sind teilweise sehr schöne Bilder, sie sind sehr wertschätzend gemacht, aber ich merke sie interessieren mich nicht 

sie sind ein Blick, der mich nicht neugierig macht

 

 

 

 

ganz anders ist es bei den Fotografien von Maria Noisternig 

ich hab mir am Sonntag die Ausstellung angeschaut und mir gedacht: 

ist es schön hier zu sein 

ich darf auch hier sein so wie ich bin - mit meinen Falten und Flecken und Dellen und Kanten 

wie toll, einfach so da zu sein, nicht als Lustobjekt und inszeniert für den männlichen Blick, er langweilt oder ärgert mich

 

Maria bedient sich der Mythologie 

besser gesagt, sie wurde angeregt von diesen mythologischen Geschichten namens Anasyrma 

das Frauen ihre Vulva herzeigen und damit etwas bewirken 

wenn Sie es googeln, finden Sie schöne Geschichten darüber

zum Beispiel: die Perser im sechsten Jahrhundert vor Christus kämpfen und dann drohen schon unterzugehen und da kommen ihre Frauen und heben die Röcke 

und die Männer sind irgendwie so irritiert oder inspiriert – was auch immer – jedenfalls wendet sich das Blatt und die Perser siegen auf einmal doch 

 

Die Vulva muss eine ungeheure Kraft haben, denn immerhin sind wir alle diesen Weg gegangen, wir sind (fast) alle durch eine Vulva geboren worden 

Die Vulva ist das Eingangstor in die Welt 

und trotzdem heißt dieses Eingangstor auf Deutsch „die Scham“ – ist das nicht seltsam?

 

wir sind hier im Club Alpha, einem Frauenclub und da passen diese Bilder auch her 

da passt diese ganze Ausstellung her 

das ist hier ein Raum, wo Frauen so sein können, wie sie sind 

und das mit einer Selbstverständlichkeit, also warum reden wir darüber überhaupt

 

auch die Figuren von Anna Schebrak sind wunderschöne weibliche Akte

Anna beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Aktzeichnung

Sie inszeniert sie nicht, sagt nicht zu den Modells, „du musst dich so hinlegen und das muss so sein und das muss so ausschauen“ 

sondern nimmt die Frauen, wie sie sind 

bei den Skulpturen gefällt mir besonders diese zarte, sanfte Oberfläche

auch die Zeichnungen, die Zartheit der Zeichnungen, die Sie draußen sehen können zeigt eine völlig selbstverständlich Kraft 

lässt diese Kraft erahnen ohne Marktschreierisch irgendwas hinaus zu posaunen

 

ja vielleicht ist das für mich überhaupt die einigende Kraft dieser Ausstellung 

es ist nicht das Thema, weil das Thema lautet „reclaiming the nude“

also frei übersetzt: „die Zurückeroberung der Nacktheit“ 

 

ich glaube, in dieser Ausstellung steht das weibliche SEIN im MIttelpunkt

einfach als Frau zu sein in unserer Kraft, so wie wir sind 

wundervolle Wesen, weil wir sind 

weil wir verschiedenste Kräfte haben

 

ich möchte Sie einladen diese Ausstellung anzuschauen, aber nicht nur mit dem Kopf 

nicht nur mit dem schnellen Blick unserer Zeit 

sondern mit Ihrem ganzen Körper 

gehen Sie Hand in Hand mit Ihrem Körper vom Bild zur Skulptur zu Bild 

und schauen Sie von Augenhöhe zur Augenhöhe in aller inneren Freiheit 

begegnen sie einander wie freie Menschen, die ihre Kraft kennen und das auch genießen können

 

Adam und Eva waren auch nackt, bevor sie vom Baum der Erkenntnis aßen und das hat sie nicht gestört 

sie war mit sich und ihrem Körper im Reinen 

und erst durch diese Geschichte mit der Schlange und so weiter und sofort – wir kennen das alles, kam dann das, was kommen musste oder auch nicht 

diese Arbeiten hier an den Wänden sind eine Rückführung zum Körpergefühl bevor wir begonnen haben Äpfel vom Baum der Erkenntnis zu essen 

diese Arbeiten haben zumindest eine Ahnung davon für mich 

Genießen Sie die Ausstellung mit sich und ihrem Körper 

Viel Vergnügen! 

 

 

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